Das kindliche Gehirn im Schlaf

Das Sandmännchen und die Synapsen
Kinderschlaf

Das kindliche Gehirn ist ein kleines Wunderwerk, das selbst im Schlaf nicht stillsteht. Während unser Nachwuchs friedlich träumt, sind die Köpfchen fleißig dabei, Erlebnisse und Eindrücke des Tages zu verarbeiten. Zu wenig Schlaf kann sich allerdings negativ auf die Entwicklung auswirken.

Was passsiert im Gehirn?

Kinderschlaf ist nicht nur eine Phase der Ruhe – und sind wir ehrlich, auch der Ruhe für uns Eltern –, er ist auch eine Zeit, in der die kleinen Köpfchen besonders aktiv sind. Nervenzellen werden neu verschaltet, Bindungen gelöst oder verstärkt, beschädigte Zellen und Stoffwechselabfall ausgemistet – während wir vermeintlich ruhig daliegen. Es wird sortiert, Erlebnisse werden bearbeitet, Vorgänge strukturiert und Regeln erkannt, alles völlig unbewusst. Das führt sogar so weit, dass wir Probleme über Nacht lösen können, frei nach Omas Rat: Schlaf mal drüber! 

Erlebtes verarbeiten

Vor allem kleine Kinder müssen unglaublich viele Reize verarbeiten und sortieren. Alles, was neu ist, muss erst in Schubladen gepackt werden. Das kindliche Gehirn muss relevante Merkmale filtern und speichern, Kategorien zuordnen und grundlegende Prinzipien erkennen, und dafür benötigt es Zeit. Während ein Neugeborenes noch mehrere Schlafphasen über Tag und Nacht verteilt braucht, kommt ein Kleinkind bereits mit einem Mittagsschlaf aus. Im Alter von etwa zweieinhalb Jahren ändert sich dann etwas Gravierendes: Kümmert sich das kindliche Gehirn vorher vor allem um Aufbau und Organisation, dient der Schlaf von nun ab gezielt Sortier-, Reparatur- und Wartungsarbeiten. 

Wie viel Schlaf braucht ein Kind?

Insgesamt schläft ein kleines Kind aber immer noch – auf 24 Stunden gerechnet – rund 12 bis 14 Stunden. Bis zum Grundschulalter sinkt die Anzahl der Schlafstunden dann auf neun bis zehn Stunden– wobei natürlich jedes Kind individuell anders ist. Es gibt Schlafmützchen, die brauchen mehr, und besonders „Aufgeweckte“, die weniger brauchen. „Der Zeitpunkt, an dem der Mittagsschlaf wegfällt, ist ein Zeichen der Hirnreifung“, erklärt der Schlafforscher Professor Jan Born im Gespräch mit ELMA. „Meist sind es Mädchen, die früh den Mittagsschlaf auslassen, sie reifen schneller. Im Umkehrschluss kann man sagen: Je mehr Schlaf ein Kind braucht, desto unreifer ist sein Gehirn – was aber nicht heißt, dass es langfristig nicht das klügere Kind sein kann.“

Wie schläft ein Kind in welchem Alter?

Der Schlaf ist in Phasen gegliedert. Der besonders wichtige Tiefschlaf, leichter Schlaf und der sogenannte REM-Schlaf, die Traumphase, wechseln sich ab. REM steht für „rapid eye movement“. Das Gehirn ist währenddessen besonders aktiv. Neugeborene haben noch einen Anteil von etwa 50 Prozent, bei Erwachsenen machen die REM-Schlafphasen nur noch 20 Prozent aus. Da bei Kindern der Übergang von einer Schlafphase in die andere noch etwas ruckeln kann, kommt es nicht nur dazu, dass sie immer wieder zwischendrin aufwachen, sondern bisweilen auch zu nächtlichem Einnässen, Schlafwandeln, Albträumen oder dem Nachtschreck. Das reguliert sich aber spätestens bis zum Beginn der Pubertät. 

Schlafmangel mit negativen Folgen

Zu Schlafmangel sollte es aber dauerhaft nicht kommen. Eine längere Phase unter neun Stunden Schlaf wirkt sich, das haben amerikanische Forscher herausgefunden, bei Grundschulkindern auch noch Jahre später negativ aufs Gehirn aus. Jan Born ist hier etwas vorsichtiger, denn was nicht untersucht wurde, sind die sozioökonomischen Verhältnisse. Ein Parken vor dem Fernseher, schlechtere Ernährung – der mangelnde Schlaf muss also nicht zwangsläufig die alleinige Ursache sein. „Aber: Auch wir haben in unseren Studien gesehen, dass Schlafverlust Veränderungen in der Gehirnentwicklung auslösen kann.“ 

Zu wenig Schlaf für die Eltern

Da fragt man sich als Mama natürlich schon: Und was ist mit mir? Wo ich doch jahrelang nachts immer wieder gestillt oder getröstet habe und bei jedem Mucks aufwache? Aber diese Sorge kann der Schlafforscher uns Eltern nehmen: „Bei Müttern greifen da schon allein hormonell ausgleichende Mechanismen, die das Ganze wieder wettmachen. Der Schlaf ist zwar fragmentiert, aber Sie können davon ausgehen, dass Sie in den Phasen dazwischen schneller tiefer schlafen.“ Zusätzlich sucht sich der Körper seine wohlverdiente Ruhe. Das Kind nickt im Auto ein, die Mama kurz mal auf dem Sofa, oder sie holt den Schlaf am Wochenende wieder rein, wenn ein anderer mal die Verantwortung übernimmt. Denn entgegen der landläufigen Meinung bestätigt Jan Born, dass auch das Nachholen von Schlaf ein paar Tage später bis zu einem gewissen Grad durchaus möglich ist. 

Text: Simone Blaß

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